Digitalisierung – Go! Loslegen in der Praxis — Beispiel Elektro Rößler (2/3)
Ratgeber
28. November 2022
Digitalisierung ist ein vielschichtiger Begriff, der nicht nur innovative Maschinen meint. Welche Ebenen der Digitalisierung im Handwerk eine Rolle spielen und wie Handwerksbetriebe in die Digitalisierung eintauchen, erfahrt ihr in diesem Artikel.
1. Produktion
Auf die Produktion wird meistens als Erstes geblickt, wenn vom digitalen Handwerk die Rede ist. Wie gestaltet sich die Werkstatt, welche Maschinen sind im Einsatz? Computergesteuerte CNC-Fräsen oder Laser-Messgeräte sind hierfür einfache Beispiele. Derartige Investitionen erleichtern Aufträge und Arbeitsprozesse. Digitale Maschinen haben einen schnellen und sichtbaren Effekt auf den Arbeitsalltag. Allerdings sollte die Digitalisierung an diesem Punkt nicht verharren, sondern in die zweite Ebene übergehen:
2. Büro
Etwas komplexer und dennoch überaus sinnvoll ist die Digitalisierung in der Auftragsdurchführung. Mit welchen Tools plant ihr euer Projekt? Welche Software kommt dabei zum Einsatz? Wie organisiert ihr die Warenbestellung, wie dokumentiert ihr den Prozess und wie kommuniziert ihr auf der Baustelle? Um diesen Bereich abzudecken, gibt es spezifische Branchenlösungen.
Digitale Strategien können Kommunikationsschwächen umgehen und sorgen für mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Darüber hinaus strukturieren digitale Tools den Arbeitsflow – wofür euch das Büro-Personal danken wird! Aber auch unterwegs sind die Mitarbeitenden zufriedener, wenn die Arbeitsschritte klar definiert sind. Mithilfe eines digitalen Baustellen-Managements können die Abläufe dokumentiert werden. So kann das Personal in Echtzeit den laufenden Prozess überblicken und auf der Baustelle können Dokumente aus Papier nicht einfach verloren gehen!
Um diese Software-Tools zu bedienen, benötigt ihr natürlich die passende Hardware. Tablets oder Smartphones liefern den Handwerker*innen den nötigen Zugang zur digitalen Infrastruktur. Mit dem Handy könnt ihr einfach Fotos von der Baustelle knipsen, direkt ins Management-System hochladen und somit eine Menge Zeit sparen.
Auch für die kaufmännische Abwicklung existieren branchenspezifische Lösungen. Von der Zahlungskontrolle über die Buchhaltung und das Mahnwesen – Papierkram lässt sich auch wunderbar digital organisieren. Das Büro muss nicht länger stapelweise Ordner und Zettel beherbergen, stattdessen lässt sich das strukturierte Regal auf euren Bildschirm verlagern.
3. Marketing
Und zu guter Letzt: digitales Marketing! Dass die oberen Bereiche bestens funktionieren und euer Betrieb gute Arbeit leistet, solltet ihr selbstbewusst zeigen. Kundengewinnung und Kundenbindung funktionieren auf digitaler Ebene deutlich zielgerichteter. Dabei reicht es nicht mehr aus, eine einfache Homepage zu besitzen oder eine Zeitungsannonce zu schalten. Ein beliebtes digitales Tool, um über aktuelle Angebote und Leistungen zu informieren oder mit Kund*innen im Austausch zu bleiben, ist Social Media. Doch auch ein funktionierendes Bewertungssystem gewinnt heutzutage immer stärker an Bedeutung. Über wirsindhandwerk.de können sich Interessenten über Betriebe informieren, Rezensionen lesen und alle wichtigen Informationen auf einen Schlag überblicken. Auch potentielle Mitarbeitende können über diesen Weg von Handwerksbetrieben rekrutiert werden.
Ein beliebtes digitales Tool, um über aktuelle Angebote und Leistungen zu informieren oder mit Kund*innen im Austausch zu bleiben, ist Social Media. Doch auch ein funktionierendes Bewertungssystem gewinnt heutzutage immer stärker an Bedeutung.
Und das ist immer noch nicht alles. Ihr seid Heizungsinstallateur? Dann setzt bei euren Kund*innen doch kleine Erinnerungen, die Heizung regelmäßig warten zu lassen – das bindet sie an euren Betrieb. Durch einen digitalen Zeitplan, der selbständig Termine setzt und an Ereignisse erinnert, wird dieses Vorgehen vereinfacht. Auf diese Art könnet ihr beispielsweise auch personalisierte Geburtstagsgrüße versenden!
Digital und ganzheitlich denken
Die meisten Handwerker*innen wissen sehr genau, welche neuartige Technik sie sich wünschen. Dabei ist die Produktion nicht der einzige Digitalisierungs-Faktor. Produktion, Office und Marketing sind gleichermaßen wichtig und funktionieren besonders gut im digitalen Zusammenspiel. In welchem Bereich ihr als Neueinsteiger*in loslegen sollten, lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. Den Fokus müsst ihr selbst setzen. Was sinnvoll ist und was hinten angestellt werden kann, kommt ganz auf euren Betrieb, dessen Größe und die entsprechenden Ressourcen an.
Um zu sehen, wie sich Betriebe ihren Weg durch die Digitalisierung bahnen, haben wir uns mit Christine und Pierre Rößler vom Elektrobetrieb Rößler unterhalten. Sie sind Digital-Pioniere der ersten Stunde und haben den Betrieb bereits auf sämtlichen Ebenen digitalisiert.
wirsindhandwerk.de: Wie hat eure Digitalisierungs-Geschichte begonnen?
Christine & Pierre Rößler: Unsere Firma wurde 2009 gegründet. Der Digitalisierung standen wir immer offen gegenüber und waren damit anfangs ziemliche Einzelkämpfer. Bereits ein Jahr nach der Gründung haben wir die ERP-Software Streit V1 eingeführt. Mit ihr verwalten und organisieren wir mittlerweile seit vielen Jahren unseren Betrieb. Darauf folgte dann relativ zügig die mobile Auftragsabwicklung – damals noch mit vollwertigen Computern, Apps gab es natürlich noch keine … So sind wir in die Digitalisierung hineingewachsen. Und ehrlich gesagt: Es macht richtig Spaß, zu sehen, wie effizient man durch digitale Lösungen werden kann.
wirsindhandwerk.de: Welche weiteren digitalen Schritte sind geplant?
Christine & Pierre Rößler: Wir stehen in kontinuierlichem Kontakt mit der Firma Streit – wenn sie etwas Neues entwickelt haben, probieren wir das sofort aus! (Anmerkung der Redaktion: Die Firma Streit entwickelt kaufmännische Software und Apps für das Handwerk) Die eigentliche Digitalisierung im Handwerk liegt heute jedoch im Marketing. Online-Bewertungen sind das A und O, darauf wird von Kund*innen als erstes geschaut. Und weil der Markt durch die Digitalisierung immer größer wird, muss zusätzliche Sichtbarkeit hergestellt werden. Deshalb wollen wir auch auf Social Media noch aktiver werden. Zwar investieren wir bereits einiges an Zeit in Instagram, aber es könnte noch mehr sein, zum Beispiel in Form von Live-Videos. Außerdem steht der Ausbau unseres Workflow-Managements an. Ziel ist dabei, dass jede*r Mitarbeitende immer über die laufenden Schritte informiert ist und weiß, wo es hingeht. Und wenn wir noch weiter in die Zukunft blicken, werden wir sicherlich vermehrt mit künstlicher Intelligenz und Big Data arbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt schon breit gefächert in die Digitalisierung eintauchen und keine Ebene vernachlässigen.
„Online-Bewertungen sind das A und O, darauf wird von Kund*innen als erstes geschaut. Und weil der Markt durch die Digitalisierung immer größer wird, muss zusätzliche Sichtbarkeit hergestellt werden.“
wirsindhandwerk.de: War es schwer am Anfang?
Christine & Pierre Rößler: Eigentlich nicht. Bei der Software hat uns die Firma Streit unterstützt. Wenn irgendwas nicht funktioniert hat oder wir Fragen hatten, konnten wir uns jederzeit an sie wenden. Durch den Austausch haben wir uns eigentlich nie allein gelassen gefühlt. Außerdem muss man sagen, dass es immer einfacher wird, umso mehr man die Grundbausteine versteht. Die Feinjustierungen sind dann Geschmackssache. Und natürlich muss sich jeder Betrieb selbst überlegen, bis zu welchem Grad er die jeweiligen Prozesse perfektionieren möchte und ob sich der Verwaltungsaufwand lohnt.
wirsindhandwerk.de: Wie reagieren eure Mitarbeiter*innen auf die Digitalisierung?
Christine & Pierre Rößler: Natürlich brauchen wir alle bei jedem weiteren Schritt etwas Zeit, um uns daran zu gewöhnen. Anfangs herrscht dann zwar manchmal Zurückhaltung, aber je länger die Mitarbeitenden mit einzelnen Tools umgehen, desto größer wird das positive Feedback. Mittlerweile kann sich die Digitalität keiner mehr wegdenken.
wirsindhandwerk.de: Welche Tipps könnt ihr anderen Betrieben geben?
Christine & Pierre Rößler: Durchhaltevermögen zu haben! Nicht alles funktioniert auf Anhieb perfekt. Manche Gewohnheiten müssen einfach überwunden werden – und das kann schon mal dauern. Am besten beginnt man mit einem ersten Schritt und versucht, nicht zu viele Neuerungen gleichzeitig durchzuführen. Es lohnt sich, bei den Prozessen in die Tiefe zu gehen und sich ordentlich einzuarbeiten. Und: Vieles muss man einfach ausprobieren!
Wir bedanken uns bei Christine und Pierre Rößler für den interessanten Austausch! Im kommenden letzten Teil dieser Serie könnt ihr den Digitalisierungs-Selbstcheck machen …